Der Triebwagen wurde liebevoll "Therese" genannt
In der Zeit nach der Inflation gewannen die Eisenbahnen einen sprunghaften Zulauf. Der Betriebsleiter der Oldenburger Bahn, Joseph, nahm in Anbetracht der guten KOE- Kassen im Herbst 1924 geschäftliche Verbindung mit den AEG-Waggonwerken wegen der Lieferung eines modernen Triebwarens auf. Die Firma Linke & Hoffmann in Köln konstruierte mit AEG nach dem Versailler Vertrag von 1919 moderne Schienenfahrzeuge als Reparationsleistung für Frankreich.
Im Frühjahr 1925 machte sich Oberlokführer August Thomsen, Leiter der Außenstelle Burg auf Fehmarn, auf den Weg nach Köln, um eines dieser neuen Schienenfahrzeuge für Fehmarn in Empfang zu nehmen. Er zog sein bestes Ziviljackett an, steckte die Dienstjacke in eine abgewetzte Aktentasche und fuhr mit einem KOE-Freischein nach Köln.
Mit den Kölnern war alles bestens geregelt: Thomsen übernachtete und frühstückte im Werk, zog seine Dienstuniform mitsamt dem Gummikragen an, wurde in die Technik des wunderschönen, benzingetriebenen Fahrzeugs eingewiesen, bekam einen streckenkundigen Werkingenieur als Begleiter und fuhr über Dortmund, Osnabrück, Bremen, Hamburg, Lübeck, Eutin, Neustadt nach Fehmarn zurück.
Die Fehmarnsund mit der neuen "Therese"
Auf der ganzen Strecke erregte das hellrote technische Wunderwerk großes Aufsehen. Diese Art der schnellen und sauberen Beförderung in holzgetäfelten, jedoch noch kohlenbeheizten Abteilen mit Ledersitzen war - keine 44 Jahre nach der pferdegezogenen, rumpelnden Postkutsche - eine Sensation.
Die größte Beachtung fand „Therese", wie der Triebwagen als bald liebevoll genannt wurde, durch ihren weithin hörbaren, hellen Pfeifton, den sie jeweils vor unbeschrankten Bahnübergängen abzugeben hatte. Der Pfeifton glich der Burger Alarmsirene so verblüffend, daß bei der ersten Ankunft des Triebwagens in der Stadt die Feuerwehr mit zwei Löschzügen ausrückte, da man ein Großfeuer vermutete.
Die Fehmarnsundfähre
Mit diesem modernen Fahrzeug endete das mehrmalige, mühselige Umsteigen bei Wind und Wetter, Eis und Sturm: Um mit der Bahn von Orth nach Lübeck zu gelangen, mußte ein Fahrgast bis 1925 sechsmal in einen anderen Zug umsteigen un benötigte sieben Stunden Fahrzeit. Jetzt fuhr der Triebwagen mit der Fähre über den Fehmarnsund und weiter bis Heiligenhafen.
Hierdurch ersparte sich der Reisende die langen Fußmärsche am Sund und besonders in Großenbroder Fähre, wo bei Wind und Wetter 300 Meter zurückgelegt werden mußten. Die Warteräume beider Bahnhofsgaststätten wurden abends schlossen und auch bei den widrigsie Wetterumständen und verpaßten Zuger schlüssen nicht geöffnet. Eine Reise von Fehmarn nach Lübeck und zurück war zeitlich an einem Tage nie möglich. Mit der Fertigstellung der 1928 Betrieb genommenen „Bäderstrecke" von Bad Schwartau nach Neustadt in Holstein zeichnete sich erstmals der Trassenweg der Vogelfluglinie ab, die Fahrzeit von Burg auf Fehmarn nach Lübeck wurde damit auf durchschnittlich 3 1/2 Stunden verkürzt.
Der Hafen am Fehmarnsund
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